WESTAUTO
 
 

Ein Westauto war natürlich ein Auto aus dem Westen und deshalb, wie fast alles aus dieser Himmelsrichtung Kommende, bewunderns- und erstrebenswert. Bewundern konnte man ein Westauto vor allem in Werbespots im Westfernsehen, in natura allerdings vorwiegend nur an und auf den sogenannten Transitstrecken. Besuchswillige Verwandte bekamen nicht immer auch die Genehmigung, mit dem eigenen PKW einreisen zu dürfen. Meist wollten sie es auch gar nicht wegen der Gebühren, die sie dafür zahlen mussten. Kamen sie aber doch mit dem Wagen, dann wurde dieser bestaunt und bewundert und kein schöneres Erlebnis gab es, als sich mit dem Westwagen durch den Heimatort fahren zu lassen oder noch besser, selbst am Steuer zu sitzen. Handelte es sich dann auch noch um einen Mercedes, war das Glück unbeschreiblich.

Nicht jeder war beim Anblick von Westautos so euphorisch. Manch einem waren sie auch ein Dorn im Auge, saß doch in jedem Westauto auch mindestens einer aus dem Westen. Und wenn der Westler den eigenen Trabi überholte, dann kuckte er immer so großkotzig. Glaubten viele jedenfalls. Außerdem machten sie die Autobahnen der Transitstrecken so voll und nutzten sie in einem Jahr so sehr ab, wie die DDR-Autofahrer es in zehn Jahren nicht hätten schaffen können.

Die Mehrheit der an Autos interessierten Bürger war sich jedoch einig: „So ein Auto möchte ich auch haben.“ Die Erfüllung dieses Bestrebens war aber nach dem Mauerbau eine fast aussichtslose Sache. Die Westverwandten durften ihr altes Auto nicht einfach privat im Osten verschenken oder verkaufen, der Staat ließ sich nicht umgehen, er wollte gefragt werden und am Verkauf kräftig mitverdienen.