MUMIENEXPRESS
 
 

Mumienexpress war eine vom Volksmund kreierte sarkastische Bezeichnung für die Züge, die im „grenzüberschreitenden“ Verkehr die beiden deutschen Staaten miteinander verbanden. Es gab zwei verschiedene Sorten von grenzüberschreitenden Zügen, die auch als Interzonenzüge bezeichnet wurden.

  • Der Fernbahnhof Berlin-Friedrichstraße war Ausgangs- und Endpunkt der durchgehenden Direktzüge. Obwohl er diesseits der Grenze lag, wurde er von Grenzsoldaten streng bewacht. Niemand konnte ohne Kontrolle und ohne Genehmigung einen solchen Zug benutzen. Ein planmäßiger Halt innerhalb der DDR war nicht vorgesehen. War das Halten aus bahnbetrieblichen Gründen auf Bahnhöfen doch einmal unumgänglich, so wurde der Zug mit Bahnpolizisten umstellt. Niemand durfte sich den Waggons nähern, geschweige denn ein- oder aussteigen.
  • Die andere Sorte von Zügen hatte ihren Ausgangspunkt meist in den Bezirksstädten, war jedoch innerhalb der DDR für den Inlandverkehr freigegeben. Der Zug, konnte also von jedem benutzt werden, wovon auch rege Gebrauch gemacht wurde. Vor allem dann, wenn es sich um bundesdeutsche Waggons handelte, die einen deutlich höheren Standard aufwiesen als die Reichsbahnwagen des Ostens. Ich hatte als Student sehr häufig das Vergnügen mit dem "Interzonenzug" zu fahren, der zwischen Hamburg und Dresden verkehrte.
Es war stets ein seltsames Phänomen: Je mehr sich der Zug der Westgrenze näherte, um so rasanter stieg das Durchschnittsalter der in ihm verbleibenden Reisenden an. Das war dem Umstand geschuldet, dass aufgrund der Reisebeschränkungen lange Zeit bis auf Ausnahmefälle nur Rentner in die Bundesrepublik reisen durften. Nach der letzten Bahnstation im Osten saßen also nur noch DDR-Rentner und zurückreisende Bundesbürger in einem solchen Zug. Ein Grund für den Volksmund, ihn Mumienexpress zu taufen.