HETZSENDER
 
 

Im Jargon von Partei und Regierung sowie der von ihnen gesteuerten Medien wurden die westlichen Rundfunk- und Fernsehsender bevorzugt mit dem Begriff „Hetzsender“ negativ gewertet. Die Sender Deutschlandfunk und RIAS hatten sich in besonderem Maße Information und Aufklärung auf die Fahnen geschrieben. Sie waren deshalb in den Augen der Verant- wortlichen der DDR die gefährlichsten „Sprachrohre und Helfershelfer der Imperialisten und Revanchisten“. Alles, was sie sendeten, wurde grundsätzlich als „Feindpropaganda“ und „Hetze“ abgetan und dämonisiert.

Die Verwendung des Begriffs „Hetzsender“ implizierte natürlich einige Botschaften ans Volk. Beispielsweise solche:

  • Wir haben erkannt, dass die da drüben gegen uns hetzen. Das ist nicht gut!
  • Was für uns nicht gut ist, kann auch für dich nicht gut sein.
  • Wenn du dich einlullen lässt, wirst du vom rechten Wege abkommen.
  • Wenn du an der sozialistischen Lehre zu zweifeln beginnst, wirst du nicht mehr „alle Kraft für den sozialistischen Aufbau“ einsetzen können.

Usw.

So manch einer, der vom Sieg des Sozialismus zumindest etwas überzeugt war, ließ sich tatsächlich von dieser Wertung beeinflussen. Das hatte die Konsequenz, dass er in der Öffentlichkeit stets leugnete, Westsender zu empfangen, sie aber dennoch zu Hause munter konsumierte. Das durch diesen Widerspruch aufkeimende schlechte Gewissen ließ sich wieder etwas beruhigen, wenn man sich einredete: „Ich kuck ja keine Nachrichten oder politischen Sendungen.“

Mutige, dem Sozialismus nicht oder nur wenig verfallene Bürger verhehlten auch in der Öffentlichkeit ihre Seh- und Hörgewohnheiten nicht und machten sich damit bei den Offiziellen und häufig auch bei den ängstlichen Zeitgenossen äußerst unbeliebt. Das war denen jedoch egal, Wahrheit konnte nur vom RIAS und vom Deutschlandfunk kommen und die Mutigen sahen sich dazu berufen, diese Wahrheit weiter zu verbreiten. Die Äußerung „Der RIAS hat gesagt ...“ war die Lieblingsredewendung dieser Leute. Heute wissen wir von öffentlichen Geständnissen der ehemaligen Macher dieser Sender, dass sie, um ihr Ziel zu erreichen, leider auch mit propagandistischen Mitteln gearbeitet haben. Und wenn es ihnen nützlich erschien, schreckten sie auch nicht davor zurück, Wahrheiten zu manipulieren oder sogar Lügen zu verbreiten. Schließlich hätten sie sich notfalls immer mit dem Argument herausreden können, wegen des „Kalten Krieges“ zu solchen Mitteln gezwungen worden zu sein.