Bonzen ist ein sehr abschätziger Begriff zur Bezeichnung des Führungspersonals von Partei und Regierung. Dabei kam es nicht auf die Höhe des Postens an, die eine solche Person in der Führungshierarchie inne hatte. Es reichte der Tatbestand aus, dass jemand etwas Amtliches zu sagen hatte, um ihn für all diejenigen, die sich dem Fußvolk zugehörig fühlten, zu einem Bonzen mutieren zu lassen. So konnte schon ein „kleiner Parteisekretär“ in einem Betrieb für seine Kollegen ein „Bonze“ sein. Dabei spielte überhaupt keine Rolle, ob er irgendwelche Privilegien analog den Edelbonzen in Wandlitz genoss oder nicht. Allein die Tatsache, dass der einen solchen Posten inne hatte, reichte aus, um ihn in den Rang eines Bonzen zu erheben.
Die Motive, den Begriff Bonze zu verwenden, konnten Hass, Neid und Enttäuschung sein.
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Hass für den, der unter den sozialistischen Bedingungen Leid hatte erfahren müssen (politische Haft; keine Möglichkeit, die Verwandten im Westen zu besuchen; politische Repressalien usw.)
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Neid, für den, der es aus persönlicher Anschauung wusste oder zumindest den Gerüchten vertraute, diese als Bonzen titulierten Leute würden in Saus und Braus leben oder zumindest etliche Privilegien genießen (keine Wartezeit beim Autokauf, große Wohnungen, höherer Verdienst usw.)
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Enttäuschung für alle, die eigentlich fest an die kommunistischen Ideale von der Gleichheit der Menschen glaubten, jedoch immer wieder erleben mussten, dass sich die „Bonzen“ für etwas „gleicher“ als ihre Untergebenen hielten.
Die besagten Motive mussten aber nicht besonders stark ausgeprägt sein. Häufig wurde der Begriff in privaten Gesprächen verwendet, um dem Gesprächspartner die eigene Ablehnung des Systems zu signalisieren. Wer „Bonze“ sagte, der war mit Sicherheit kein großer Fan von Partei und Regierung, das war eindeutig. Wenn der Gesprächspartner diesen Begriff gelten ließ und ihn sogar selbst aufnahm, dann war die Sache klar: Man verstand sich, lag in der Kommunikation auf der gleichen Ebene. Neubausiedlungen in Großstädten (vor allem in Ostberlin), in denen bevorzugt und in Massen Staats- und Parteibedienstete lebten, wurden im Volksmund als „Bonzensiedlung“ bezeichnet. |