BONBON
 
 

„Bonbon“ war das Synonym für das Parteiabzeichen der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands, kurz SED. Jedes Parteimitglied hatte dieses Abzeichen sichtbar an der Kleidung zu tragen, signalisierte damit die Mitgliedschaft in der Partei und stellte seine Überzeugung symbolisch zur Schau.

Bei der Kommunikation mit fremden Menschen suchte der von Natur aus misstrauische DDR-Bürger meist zuerst nach diesem „Bonbon“.

Parteigenossen taten dieses, um sich zu vergewissern, ob sie mit dem Gegenüber ideologisch auf der gleichen Linie lägen oder nicht. Und Parteilose taten das, um für den Fall, an einen Genossen geraten zu sein, Vorsicht walten zu lassen sowie Denken und Reden anzupassen.

Genossen und Genossinnen zu erkennen, war nicht schwer, sofern sie Anzug oder Kostüm trugen, denn dann war auch der „Bonbon“ pflichtgemäßes Accessoire. Genossinnen und Genossen in legerer „Zivilkleidung“, in Badekleidung am Urlaubsstrand oder nackt beim FKK oder in der Sauna ließen sich allerdings nicht so leicht als solche identifizieren. Nichtgenossen pirschten sich im Gespräch vorsichtig heran oder gingen mit dreisten Fragen mutig drauf los: „Sind Sie Genosse?“ oder „Sind Sie in der Partei?“. Hielt der Nichtgenosse seinen Gesprächspartner für harmlos oder fühlte er sich diesem überlegen, so konnte er die Fragen mit dem Wörtchen „etwa“ anreichern und einem arroganten Blick würzen. Damit waren die Fronten in den meisten Fällen eindeutig geklärt.

Genossen wählten in der Regel eine andere Erkundungstaktik. Vertraulich näherten sie ihren Oberkörper dem des Gegenübers an, setzten einen konspirativen Blick auf, senkten die Stimme und raunten leise: „Auch Genosse?“

Die typische Antwort eines Nichtgenossen war durch einen empörten Unterton gekennzeichnet und lautete etwa so: „Seh ich etwa so aus???“ oder „Na, ich doch nicht!“ oder beides wurde miteinander kombiniert.

Überzeugte Genossen hingegen antworteten schlicht „Ja“ oder bekräftigten mit „Ja, natürlich“. Unsichere Genossen konterten: „Sieht man mir das etwa an?“

Sicher wird es auch welche gegeben haben, die es in der momentanen Lage für richtiger hielten, sich zu verleugnen. Aus welchen Gründen auch immer.