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  3. Sitten und Bräuche  
  l. Aberglaube  

Der Aberglaube, der in alten Zeiten und besonders auf dem Lande stark verbreitet war, hatte auch in meiner Jugendzeit noch reichlich Anhänger. [...]
Einige Beispiele, an die ich mich erinnern kann:
Ein alter Besen durfte, wenn er nicht mehr zu gebrauchen war, keinesfalls verbrannt werden. Darin hätte die Gefahr bestanden, dass eine Hexe sich seiner bemächtigen und mit dem Feuerbesen durchs Dorf reiten könnte.
Wollte man verhindern, dass Zigeuner an die Tür klopften, brauchte man nur einen Besen nach oben gekehrt an den Türpfosten zu stellen. Kein Zigeuner hätte es gewagt, dieses Haus zu betreten. Auch sie hatten schließlich ihren Aberglauben!
Ein Hufeisen, das mit der offenen Seite dem Haus zugewandt auf die Türschwelle genagelt wurde, sollte dem Teufel den Zutritt verwehren.
Heulten des Nachts die Hunde im Dorfe, waren die Bewohner sicher, dass in Kürze ein Dorfbewohner sterben würde.
Auch der Rabe, wenn er sich nachts oder abends auf ein Hausdach setzte und fortwährend krächzte, wurde als ein Unglücksbringer, als Totenvogel, angesehen. Geschah das an mehreren Abenden, war man sicher und überzeugt davon, dass im Hause jemand sterben werde. „De Dodenvoagel is werrer doa,“ hieß es dann (Der Totenvogel ist wieder da). Auch der Eule wurden solche schlimmen Vorhersagen unterstellt.

Aberglaube und der Glaube an Hexen liegen eng beieinander. Meist, so glaubte das Volk, waren das alte Frauen, die mit dem Teufel im Bunde standen und über dämonische Kräfte verfügten.
So gab es natürlich auch in der Prignitz, besonders in der Zeit von 1400 bis 1700, Hexenverfolgungen und Hexenprozesse. Zahlreiche der Hexerei verdächtige Frauen fielen ihnen zum Opfer. Es wundert daher nicht, wenn sich auch in der heimischen Sagenwelt Hexenspuk widerspiegelt.

Vom Kyritzer Hexenmeister und der Hexe zu Kyritz wurde folgendes erzählt:*
Der Hexenmeister war für viele von der Hexerei bedrohte Frauen und für die Leute, die sie kannten, oft der letzte, der sie davon erlösen konnte. Besonders der Kyritzer hatte Kräfte, die denen der Hexen weit überlegen waren. So konnte er jede, die ein Stück Vieh in der Stadt verzaubert hatte (fast nie blieb solch ein Tier am Leben), zwingen, hinter dem Schinder (=Abdecker) herzugehen, wenn der den Kadaver mit seinem Schinderkarren abholte.
Sobald das Gefährt das betroffene Gehöft mit dem toten Tier verlassen hatte, erschien die nachfolgende Hexe in einem „Zauberspiegel“ des Hexenmeisters. Glaubten nun die früheren Kyritzer, dass eine verendete Kuh behext gewesen sei, so war ihr erster Gang zum Hexenmeister, um die böse Zauberin, die ihnen solches Unglück angetan hatte, sofort kennenzulernen. Schon auf dem Wege zu ihm, lief dann in der Regel die Hexe in der Gestalt eines Tieres mit. Fast immer verwandelte sie sich in einen Hasen, um bei Gefahr schnell entkommen zu können. Keiner konnte sie so erkennen.
Auf dem Rückweg aber sorgte der Hexenmeister dafür, dass sie in ihre menschliche Gestalt zurückverwandelt wurde. So wusste jeder, wer in der Stadt durch Zauberei Unheil anrichtete.
Auch von einer anderen alten Frau, die einst in Kyritz wohnte, wurde erzählt, dass sie viel mehr konnte als nur Brot essen. Bei allen war sie als Hexe bekannt und gefürchtet. Besonders merkwürdig war, dass sie sogar vorher wusste, wann jemand sterben würde. Das traf auch auf sie selber zu. Als sie den nahen Tod fühlte, bestellte sie sich einen Sarg. In dem Augenblick, als ihn der Tischler brachte, sagte sie zu ihrem Mann: „Vader, go man rut un stöt de Immen an.“ Als der zu seinen Bienen kommt, ruft er zurück: „Mutter kumm rut, de Immen summen all!“
Doch die Frau erscheint nicht mehr bei ihm, auch nicht, als er ungeduldig ans Fenster klopft. Beim genauen Hinsehen erkennt er mit Schrecken, dass die Alte tot im Sarge liegt.