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  3. Sitten und Bräuche  
  k. Heilen und helfen durch Böten  

Heilen durch Handauflegen, Besprechen oder Böten, ist eine uralte Sache. Natürlich ersetzt das keinen Arzt. Heute nicht und früher auch nicht.

Meine Großmutter beherrschte diese Kunst auch. Sie konnte zwar nicht allumfassend helfen, aber bei der Gürtelrose, der Gesichtsrose, bei Warzenleiden und einigen anderen Dingen, kamen die Leute aus dem Dorf zu ihr. Das Erstaunliche war, es half!

Als Kind kümmert man sich um solche Dinge nicht, und es durfte bei solchen „Besprechungen“ ja auch niemand zugegen sein. So richtig habe ich das alles erst nach dem Ende des Krieges erfahren, nachdem ich aus der Gefangenschaft heimgekehrt war.

Großmutter hatte wohl schon ihren dritten Schlaganfall hinter sich, als sie mich eines Tages bat, etwas für sie zu schreiben. Nicht etwa, dass sie mich nun eingeweiht hätte in die geheimen Künste, ich sollte es für meine Mutter aufschreiben. Dreimal. So verlangte es der Brauch, damit die Überlieferung auch wirksam würde. Eine der wesentlichsten Voraussetzungen, diese Kunst zu erlernen und zu beherrschen, war wohl der unerschütterliche Glaube an Gott und die Sache. Meine Großmutter hatte beides. Und meine Mutter hatte wohl auch beides von ihr. Wie lange meine Mutter später praktiziert hat, und ob auch sie ihr Wissen weitergeben konnte, weiß ich nicht. Über solche Dinge wurde nicht gesprochen. Entweder man hat‘s, oder man hat‘s nicht.

Kleine Kinder neigen oft dazu, schnell wehleidig zu sein, wenn ihnen ein kleines Missgeschick passiert. Dagegen gab es ein einfaches „Wundermittel“ in Form von lustigen Sprüchen, die aber mit dem Böten überhaupt nichts zu tun haben. Eine Art Seelenmassage vielleicht, die ihre Wirkung allerdings selten verfehlte.

Zwei Beispiele, die mir noch in Erinnerung sind:

„Bööt, bööt, Kräenfööt, Hästerstät, morgn allns wäer bäeter werd.“ (Puste, puste! Krähenfüße, Elsterschwanz, morgen wird alles wieder besser.)

Oder: „ABC, de Koater löpt in‘n Schnee. De Kat de löpt danämn, wärd sik woll allns weerer gäm.“ (ABC,der Kater läuft im Schnee. Die Katze läuft daneben, wird sich wohl alles wieder geben.)

Wir würden heute sicherlich sagen: „Nun schlaf man schön, morgen früh ist alles wieder gut“, oder: „Nun weine man nicht mehr, es ist ja gar nichts passiert, es ist ja schon alles wieder gut.“ Das hilft auch! Übrigens: Die beiden o.g. Sprüche wirken nur, wenn sie plattdeutsch gesprochen werden.