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  3. Sitten und Bräuche  
  j. Hochzeitsnacht und der Morgen danach  

Ganz unauffällig und unbemerkt zogen sich nun die junge Frau und der frischgebackene Ehemann zurück. Für sie begann jetzt die „Hochzeitsnacht“.

Sicherlich liegt es schon eine Weile zurück, als es [in unseren Landen] noch üblich war, dass diese Nacht die [gemeinsamen] des Paares war. In der Zeit, über die ich berichte, hat sicher keiner mehr, wie der Volksmund so schön sagt, „die Katze im Sack gekauft".

Während so nach und nach auch die Alten zum Bettzipfel strebten, tanzte die Jugend [unbeirrt] weiter bis in den Morgen. Das Verschwinden des Braupaar‘s wurde von den jungen Leuten allerdings sehr aufmerksam verfolgt. Irgendwer hatte es längst vorher geschafft, das Schlafzimmer des Brautpaares unbemerkt zu betreten und einen Streich vorzubereiten. Entweder wurde das Bett so präpariert, dass es beim Hineinlegen [mit Getöse] zusammenkrachte, oder unter dem Bett wurde eine kleine Glocke angebracht, die bei der kleinsten Bewegung im Bett heftig bimmelte. Natürlich musste alles so vorbereitet werden, dass der Streich nicht schon bei einer flüchtigen Kontrolle aufgeflogen wäre. Mit unseren heutigen Betten wäre das nicht mehr so recht möglich. Früher bestanden diese aus dem Bettgestell mit aufgelegten losen Brettern. Hierauf lag dann der Strohsack mit dem Bettzeug. Wurden nun die Seitenwände des Gestells durch Einfügen eines Keils oder dergleichen, auseinander gedrückt, so hatten die Bretter nicht mehr genügend Auflage. Legte man sich hinein, krachten sie zu Boden.

Nachdem dann in der Frühe gegen Sonnenaufgang auch die Standhaftesten des Tanzens müde waren, zogen alle, voran die Kapelle mit Pauke und Trompeten, direkt unters Schlafzimmerfenster des Brautpaars. Die Musik und das ausgelassene Treiben der jungen Leute wären imstande gewesen, selbst Tote aus ihrem Schlaf zu erwecken. Der Brauch verlangte, dass das junge Paar nun Wein und „Krumm‘n Stutn“ zum Fenster herausreichen musste. (Krummer Stutn war Weißbrot, in dem eine Fischgräte oder ein Knochen eingebacken war.) Dabei versuchte jeder, durch das Fenster ins Schlafzimmer zu gelangen. So manch einer hat sich wohl dabei die Finger geklemmt. Als hätte es mindestens drei Tage nichts zu essen gegeben, fielen alle über den Krummn Stutn her und jeder versuchte, ein Stück davon zu erwischen. Der sollte nämlich Glück bringen.

Eigentlich ist es jammerschade, dass so viele Sitten und Bräuche verlorengegangen sind. Daran tragen die Auswirkungen des unseligen Krieges sowie der Nachkriegszeit die Hauptschuld. Besonderen Anteil daran hatte die Bevölkerungsvermischung, die durch die An- und Übersiedlung der Flüchtlinge aus den ehemaligen deutschen Ostgebieten verursacht wurde. Und so wurde vieles verdrängt und vergessen.