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  3. Sitten und Bräuche  
  i. Trauung und Hochzeitsfeier  

Zum Standesamt wurde mit der Kutsche gefahren. Für solche [besonderen] Anlässe wurde den Pferden das „Kutschgeschirr“ angelegt. Die Sielen waren blank geputzt und, weil selten gebraucht, wie neu und feiner als das übliche Ackergeschirr. Die Kutsche war mit einer Blumengirlande versehen und an der Peitsche, ohne die ein Kutscher einfach undenkbar war, prangten weiße Schleifen.

Der Weg zurück vom Standesamt war, zeitlich gesehen, meist ein langer. Soweit es möglich war, standen Jung und Alt Spalier am Straßenrand. Dem Brautpaar wurden Blumen zugeworfen, wofür dieses sich mit einer Handvoll Bonbons revanchierte oder mit ein wenig Kleingeld, das auf die Straße geworfen wurde. Beliebt war auch das sogenannte Schnüren („Schnöörn“, hieß das auf Platt). Mit einem Seil, an dem ein paar Blumen gebunden waren, wurde die Straße abgesperrt. Erst, wenn eine Flasche Wein, Kleingeld oder Bonbons durch das Brautpaar gereicht war, ließ man das Seil herunter.

Zum guten Gelingen (in kulinarischer Hinsicht) steuerten auch die geladenen Gäste bei, vornehmlich aber Verwandte. Dazu wurden u.a. Hühner geschlachtet und diese der eigens für diesen Tag engagierten Köchin übergeben. Rind, Schwein und Kalb kam aus dem Hause der Braut oder auch des Bräutigams. Sicherlich hängt das mit der Überlieferung aus alten Zeiten, der Mitgift, zusammen. (Meist war es die Braut, von der eine mehr oder weniger große Mitgift erwartet wurde.) Ohne eine solche „Mitgebe" oder "Zugabe“ war eine Heirat oft nicht denkbar. Diese Sitte [der Mitgift] gibt es in anderen Ländern auch heute noch.

Damit hatten aber die Hochzeitsbitter nichts zu tun. Mir oblag unter anderem die Aufgabe, die auswärtigen Gäste in ihre Quartiere einzuweisen und Ausspannmöglichkeiten für die Pferde zu schaffen, denn angereist wurde in der Regel mit Pferdefuhrwerken, meist mit mehr oder weniger vornehmen Kutschen, oder auch nur mit einfachen Planwagen. Diese Arbeit wurde selbstverständlich auch mit kleinen oder größeren Trinkgeldern honoriert.

Schon Tage vor der Hochzeit [...] war vom Brautpaar eine Liste aufgestellt worden, aus der hervorging, wer mit wem den Weg in die Kirche anzutreten hatte. Für diesen Tag waren das dann die Tischdamen oder -herren. Natürlich betraf das nur die ledigen Gäste, die offensichtlich ohne festen Partner waren.

Der Zug formierte sich zu Beginn des Geläutes der Kirchenglocken. Unter Geläut ging es in die Kirche. Hatte der Pfarrer nach der Zeremonie seinen Segen gesprochen, ging es mit Musik in den Dorfsaal zur großen Feier. Bevor jedoch an der großen Tafel Platz genommen werden durfte, musste das Brautpaar erst noch eine Probe bestehen. Vor der Tür war ein Sägebock mit einem Stück Holz aufgestellt worden. Die Jungvermählten mussten nun unter Beweis stellen, dass sie Holz sägen können. Ein alter Brauch, der auch heute noch vielerorts lebendig ist. Damit sollte wohl bezeugt werden, dass die jungen Leute in der Lage sind, für ausreichend Wärme im Hause zu sorgen. Dabei war das Holz eben unerlässlich.

An der Türschwelle wurde ihnen durch die Küchenfrau oder Köchin, (de Kööksch) Brot und Salz gereicht mit dem Wunsche, dass beides nie ausgehen möge. Erst nach dieser Zeremonie durften die Gäste nach vorher genau festgelegter Sitzordnung an der Tafel Platz nehmen.

Das Hochzeitsmal dauerte bis zu vier Stunden. Vorsuppe - Hauptgang - Nachtisch. Allein beim Hauptgang wurde mehrmals aufgetragen, denn die unterschiedlichsten Braten wurden natürlich getrennt serviert. Zwischen den einzelnen Gängen gab es außer der Tafelmusik [noch andere] Darbietungen. Zum Beispiel wurde die Hochzeitszeitung vorgelesen, in der jeder sein Fett abbekam, in besonderem Maße aber das Brautpaar. [Desweiteren] wurden Hochzeitslieder gesungen, Reden und Festansprachen gehalten und natürlich zwischendurch fleißig angestoßen. Wenn die Tafel dann nach Beendigung des Mahls aufgehoben wurde, gab es eine kleine Pause, in der sich die Gäste ein wenig die Beine vertreten konnten. Während dieser Zeit wurde der Saal zum Tanz hergerichtet.

Und dann ging‘s aber los! Zunächst der Brauttanz, bis dann schließlich alle in Bewegung waren. Nein, nicht alle! Besonders nicht die Klatschtanten, die auch als „Dorfzeitung“ berühmt-berüchtigt waren. Die saßen auf ihren Stühlen, als wären ihre Hintern mit ihnen verwachsen. Und nichts, aber auch rein gar nichts entging ihren geübten Blicken. Noch nach einem Jahr wussten sie genau zu sagen, wer mit wem wie oft getanzt hatte und wer mit wem wie oft und wie lange draußen war. Nur gut, dass sie keine Röntgenaugen hatten, sie hätten sonst auch noch darüber berichten können, was sich draußen vor der Tür in dunklen Ecken tat.

Zwischendurch gab‘s natürlich auch Kaffee, viel selbstgebackenen Kuchen und die leckersten Torten. Später dann auch ein Abendessen, das allerdings nicht so üppig war wie das Mittagsmal.

Gegen Mitternacht wurde dann der „Schleier abgetanzt“. Während das Brautpaar munter tanzte, versuchten die „Jungfrauen“ und die, die sich für solche hielten, einen Fetzen des Schleiers zu erhaschen. Der Schleier wurde der Braut dabei förmlich vom Leibe gerissen. Einer Jungfrau, von der anzunehmen und zu erwarten war, sie könnte die nächste Braut im Dorfe werden, wurde der Brautkranz von der nunmehr mit verbundenen Augen tanzenden Braut zugespielt. Natürlich halfen alle mit, damit auch die „Richtige“ erwischt wurde.