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  3. Sitten und Bräuche  
  g. Hochzeitsbitter  

[Wie sehr die Dorfbevölkerung ausgelassen zu feiern verstand] zeigte sich besonders bei großen Bauernhochzeiten. Hierzu wurde meist das ganze Dorf eingeladen. Dreihundert und mehr Gäste waren durchaus keine Seltenheit. Die Einladung zur Feier wurden nicht etwa per Post verschickt, das besorgten die Hochzeitsbitter, auf Platt „Hochtidbidder“ genannt.

Ich hatte auch einmal das Vergnügen, ein Hochzeitsbitter zu sein, zusammen mit meinem Cousin Willi; denn dazu gehörten immer zwei. Schön „in Schale geschmissen“, der eine am linken, der andere am rechten Arm mit einer weißen Schleife versehen, und bewaffnet mit einem Spazierstock, den ebenfalls eine Schleife zierte, ging es dann von Haus zu Haus.

„Das Brautpaar XY bittet euch, an der Trauung und der anschließenden Hochzeitsfeier am soundsovielten teilzunehmen. Ihr seid herzlichst eingeladen, und wir bitten Euch, diese Einladung anzunehmen.“ So versuchten wir, in feinstem Hochdeutsch, unsere Einladung an den Mann zu bringen. „Nu sett ju män erst bät hen. Mudder! Kümm moal, Hochtidbidder sünd doa!“ Man tat äußerst überrascht, obgleich man darauf vorbereitet war und uns auch längst erwartet hatte.

Nachdem ein deftiger Imbiss und ein kräftiger Schluck verabreicht war, bedankte man sich artig bei uns, als wären wir die künftigen Gastgeber: „Un dänn seggt man de Brutlüd, dät wi koam'n wärn.“ (Wir danken für die freundliche Einladung, und sagt den Brautleuten, wir werden kommen.) Mit einem Händedruck, wobei je nach Finanzlage, Großzügigkeit oder auch Geiz, ein bereitgehaltenes Geldstück den Besitzer wechselte, wurden wir verabschiedet. Und weiter ging's zum nächsten Gast in spe.

Das war eine Prozedur, die nicht an einem Tage zu bewältigen war. Allerdings nicht wegen der Trinkgelder, die verkrafteten wir schon. Ich entsinne mich, dass wir allein an einem Tage jeder 80 RM hatten. Für die Zeit vor dem Kriege, 1939, war das ein schönes Stück Geld. Davon, so gehörte es sich, musste dem Brautpaar ein angemessenes Hochzeitsgeschenk gekauft werden. Blieb trotzdem noch einiges für uns.

Die eigentliche Arbeit aber begann erst, denn alles in allem dauerte so eine Bauernhochzeit fast eine ganze Woche lang. Meist wurde freitags geheiratet. Der Jugend oblag es, bereits einige Tage zuvor für „Grünzeug“ zu sorgen. Tannenzweige und Efeu mussten besorgt werden, woraus dann Girlanden gewunden wurden. Diese brauchte man für den Hauseingang, die Kirchentür und für den Eingang zum Saal. Das dauerte schon ein paar Stunden, und ohne einen Umtrunk und einen kräftigen Bissen ging das nicht. Regie bei fast allen Vorbereitungen und selbst am Hochzeitstag, hatten die Hochzeitsbitter.