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  2. Erinnerungen an die Kindheit und Jugend auf dem Bauernhof  
  p. Treibjagd  

Aber nichts ging über eine richtige Treibjagd im Winter. Dafür gab es sogar schulfrei. Wer sollte auch unterrichten, wenn der Lehrer nicht da war?

Zu so einer Treibjagd wurden die Jäger anderer Jagdbezirke geladen und Jung und Alt des Dorfes zog als Treiber mit in die Feldmark.

Da die Hasen hauptsächlich auf dem Feld lebten, wurden Kesseltreiben veranstaltet. Vom jeweiligen Standpunkt aus wurde immer ein Treiber nach links, ein anderer nach rechts geschickt. Dadurch entstand ein riesengroßer Kreis, der Kessel. Jedem 12. oder 15. Treiber folgte ein Schütze. War der Ring geschlossen, gab man mit einem Hornsignal ein Zeichen. Danach strebte alles langsamen Schrittes der Mitte des Kessels zu. Während vorher alles in größter Stille erfolgte, begann jetzt ein höllischer Lärm. Nicht um sich die Angst vom Leibe zu halten, die hatte niemand. Nein, das Wild sollte aufgestöbert werden.
Durch die lauten Rufe der Treiber wurde dieses veranlasst, in den Kessel hineinzulaufen. Die Schützen durften nur in den Kreis hineinschießen. Geschossen wurde mit Schrotflinten. Wurde der Kessel zu eng, dass nicht mehr genügend Schussfeld war, gab es wiederum ein Hornsignal. Für die Schützen hieß das, dass sie nun nicht weiter vorrücken durften. Von nun an durften sie nur noch auf flüchtendes Wild außerhalb des Kessels schießen, um die Treiber nicht zu gefährden.
Nach beendeter Jagd wurde die „Strecke“ gezählt. Das war das zahlenmäßg erlegte oder „zur Strecke“ gebrachte Wild. Auf einem bereitstehenden Jagdwagen oder wenn genug Schnee lag, auch auf einem Schlitten, transportierte man die Jagdbeute ins Dorf.
Einmal, so entsinne ich mich, hieß es bei der Bekanntgabe der Strecke, dass soundso viele Hasen und ein ... Löwe erlegt worden seien.
Wie war so etwas möglich? Des Rätsels Lösung war ganz einfach: Einer der Treiber, ein Schulfreund, „Schnuppi“ Löwe, hatte sich im Kessel wohl ein wenig zu weit vorgewagt und hatte sich in seinem Hinterteil ein paar Schrotkörner eingefangen. Obwohl das sehr ernste Folgen hätte nach sich ziehen können, sowohl für Schnuppi, als auch für den Schützen, wurde lange darüber gelacht.
Der Schaden aber wurde mit einem Taler (Drei Reichsmark) als Trostpflaster behoben.

Ende der Treibjagd, wenn kein Büchsenlicht mehr war, wenn es also für den Schützen zum Schießen zu dunkel war.
Voran der Jagdwagen mit der Strecke, dem erlegten Wild, dahinter die Jäger mit ihren Hunden, gefolgt von den Treibern, so hielt man Einzug ins Dorf. Der Veranstalter, der gastgebende Jagdpächter also, bedankte sich bei Schützen und Treibern. Lobte die Fairness und den Erfolg der Schützen und zahlte den Treibern ihren Lohn. Wir Kinder bekamen wahlweise einen Taler oder einen Hasen. Meist, so entsinne ich mich, wurde der Hase genommen. Hasenbraten war schon eine Delikatesse, etwas nicht Alltägliches.
Ein Gedicht, das ich in der Schule lernte, endete so: „Heute gibt es Hasenbraten, Apfelmus mit Zimt dazu, ach, du armes Häschen du.“ Aber mit Apfelmus und Zimt haben wir ihn nie gegessen. Das war wohl nur eine Erfindung des Dichters.