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  2. Erinnerungen an die Kindheit und Jugend auf dem Bauernhof  
  i. Spinnen und Weben  

Die Winterabende waren aber nicht nur für den Müßiggang geschaffen.

Wenn auch nicht mehr zu meiner Zeit, so wurde jedoch davor in der freien Zeit fleißig gesponnen und gewebt. Zeugnis dafür waren die auf dem Hausboden deponierten Spinnräder und Webrahmen. Leider sind auch diese wertvollen Utensilien im Laufe des Krieges 1939/45 alle zu Brennholz verarbeitet worden. Schade!

Bei meiner Urgroßmutter habe ich noch oft zusehen können, wenn sie am Spinnrad saß.

Meist wurde Flachs zu Leinen, seltener Wolle, mangels Rohstoff liefernder Schafe, verarbeitet.

Flachs zu gewinnen, war mit mühevoller Arbeit verbunden. Das begann schon mit dem Unkrautverziehen. Ich persönlich habe diese Arbeit nur im Kleinen kennengelernt. Die Schule hatte hinter der Mergelkuhle am Lübzower Weg eine kleine Fläche als Schulgarten erhalten. Hier bauten wir Flachs zu Unterrichtszwecken an.

Wenn die kleinen blauen Blüten abgeblüht waren, bildeten sich die Samenkapseln (Bollen) heraus. Hatten diese ihre Reife erreicht, mussten sie mit der Hand abgestreift und gesammelt werden. Die Bollen enthielten den wertvollen Leinsamen. Der Flachs selbst wurde in kleine Bündel gebunden. Damit sich der Bast löste, wurden diese 14 Nächte ins Wasser gelegt.

Anschließend kam der Flachs zum Trocknen und Brüchigwerden in den Backofen. Danach wurde er mit der Brake gebrochen. Die Brake war ein hölzernes Gestell, etwa einen Meter lang, mit einem etwas längeren Hebelarm, an dem eine Art hölzernes Schwert befestigt oder eingearbeitet war. Beim Brechen wurde der Flachs über den Balken gelegt und das Schwert niedergedrückt, wodurch der etwa einen halben Meter lang werdende Flachs Stück für Stück gebrochen wurde.

Um letzte Bastteile zu entfernen, benötigte man die Hechel. Diese muss man sich in der Art eines Nagelbretts für Fakire vorstellen, wie diese es bei ihren Darbietungen auf Jahrmärkten benutzten. Eben nur sehr, sehr viel kleiner. Auch an so eine Hechel kann ich mich noch gut erinnern. Der Flachs musste mit ein wenig Schwung auf die Hechel geschlagen werden, damit beim Zurückziehen die restlichen Bastteile hängenblieben. Natürlich ging das alles nicht so schnell vonstatten, wie ich es hier schildern kann.

Der nunmehr fertige Flachs (Heede) konnte nun versponnen werden. Dazu wurde die Heede auf eine auf dem Spinnrad aufgesetzte „Puppe“ aufgelegt. Mit dem linken Fuß setzte man über ein Pedal das Spinnrad in Gang. Durch einen etwas stärkeren gedrillten Faden, der in eine flache Vertiefung der Radfeige gelegt war und über eine kleine Rolle der Spindel lief, wurde diese angetrieben. Die Heede, die noch aus einem losen Fasergewirr bestand, musste mit Daumen und Zeigefinger gezupft werden. Der so entstehende Faden wurde durch eine Öse in der Spindel hindurchgeführt. Durch die rotierende Spindel wickelte sich der Faden auf die Spule. Dabei war darauf zu achten, dass er nicht riss, und, was nicht minder wichtig war, dass er gleichmäßig in der Stärke blieb. Da war schon eine Menge Fingerspitzengefühl und Können angesagt.

Nachdem alle Heede versponnen war, wickelte man das Garn von den vollen Spulen auf die Haspel. Dies war ein hölzernes Kreuz, das an den Enden mit Querhölzern versehen war zur Aufnahme des Garns. Die Haspel wurde mit einer Handkurbel in Bewegung gesetzt. (Das Gestell könnte man fast mit einem kleinen Wäscheständer vergleichen, der an der Gelenkstelle mit einer Welle versehen und an einem Bock befestigt ist).

Das so zu Docken aufgehaspelte Garn wurde nun gebleicht. Das geschah auf der Bleichstelle, einer Rasenfläche nahe beim Haus. Als schon längst kein mehr Garn gebleicht wurde, hieß dieser Platz bei uns zu Hause immer noch „Bleikstäd“.

Nach dem Bleichen war das Garn dann fertig und konnte auf dem Webstuhl verarbeitet werden. Gewebt wurde meist grobes Linnen oder Warp. Aus Leinen (oder Linnen) stellte man die für den täglichen Gebrauch erforderliche derbe Bekleidung her: Hemd, Hose und Kittel. Die Frauen bevorzugten hingegen den farbig gewebten Warp. (Durch Mitverarbeitung von Wolle, ein eher flauschiger, aber dennoch derber Stoff). Daraus wurden besonders Röcke und Schürzen gefertigt.