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  2. Erinnerungen an die Kindheit und Jugend auf dem Bauernhof  
  h. Geschichten erzählen an geselligen Winterabenden  

Entschieden anders als heute gestaltete sich das Zusammenleben. Es gab kein Fernsehen, [...] das Radio steckte noch zu sehr in den Kinderschuhen und war auch noch viel zu teuer.

Die einzige Möglichkeit der Kommunikation fand sich in geselligen Abenden, die jedoch nur an den langen Winterabenden veranstaltet wurden.
Mehrere befreundete Familien, meist altersmäßg getrennt, fanden sich zu Gesellschaftsspielen, Liederabenden, und, was weit wichtiger war, zu „Klönschnacks“ zusammen. Dabei gings dann auch meist hoch her und hinter vorgehaltener Hand wurde berichtet, wer mit wem und wann, warum und wo!
Es dürfte wohl klar sein, dass unsere Kinderohren, falls wir überhaupt zugelassen waren, oft ziemlich lang wurden, um auch recht viel dieser Neuigkeiten mitzubekommen. Zu unserm Leidwesen wurden wir jedoch bei solchen Gesprächen meist recht freundlich des Zimmers verwiesen.
Es wurden aber auch solche Gespräche geführt, bei denen wir bleiben durften.
Besonders interessant war es, wenn beispielsweise beim Schlachtefest der Fleischbeschauer kam. In angeregter Runde wurden dann die gruseligsten Spukgeschichten oder eigene Erlebnisse mit Spukerscheinungen zum Besten gegeben. Die Erwachsenen versicherten danach glaubhaft: „Is dät öwer gruslich!“ (Das ist aber gruselig!). Na und wie‘s uns Kindern erst gruselte! Nach solchen Geschichten brachte uns keiner dazu, aus dem Haus zu gehen. Und schon gar nicht ohne Licht!

Darf ich mit ein paar Kostproben aufwarten?
Bitte sehr:
Den wohl ältesten Hof im Dorfe, drei Gehöfte von uns entfernt, hatte ein zugezogener Bauer gerade erst übernommen. Er befand sich allein im Hause und überdies schon im Bett, denn es war bereits Nacht. Plötzlich hörte er ein Rumoren in seiner Scheune, und er meinte, es müsse die Getreideklapper sein, die den Lärm verursachte. (Die Getreideklapper war ein Gerät zum Reinigen des gedroschenen Korns. Mit ihrer Hilfe wurde die sprichwörtliche Spreu vom Weizen getrennt. Mittels einer Handkurbel wurden mehrere Siebe hin und her bewegt. Auf einer Welle befestigte Holzflügel, die den notwendigen Wind erzeugten, „fuchtelten“ die Spreu hinweg. Das ergab ein Geräusch, etwa wie: rattatata, rattatata.)
Dieses „Rattatata, rattatata“ konnte also nur von der Klapper herrühren.
Schnell zieht er sich etwas über, um in der Scheune nachzusehen. Er glaubte, andere Bauernburschen oder Knechte hätten ihm einen Schabernack spielen wollen. Aber, in der Scheune war niemand!
Also legte er sich wieder ins Bett. Kaum eingeschlafen, nimmt er ein Geräusch im Zimmer wahr, gerade so, als würde eine Hand an der Bettkante entlangtasten. Schnell macht er Licht, nichts!
Dieses Spielchen soll sich noch zweimal wiederholt haben. Immer mit gleichem Ergebnis: Nichts!
Kommentar der gespannten Zuhörer:
„Düt wär woll'n Katt, de in'd Bett wull!“ (Das war wohl eine Katze, die ins Bett wollte!) Und das war durchaus zweideutig gemeint.

Im Nachbardorf, Spiegelhagen, soll sich Folgendes zugetragen haben:
Ein Hof wechselte seinen Besitzer. Nachdem der neue Bauer sein Haus bezogen hatte, die bisherigen, (schon ältere Damen), im Altenteil einquartiert waren, beobachtete der Bauer eine seltsame Erscheinung, als er kurz vor Mitternacht noch einmal auf den Hof ging: Ein großer schwarzer Hund, mindestens von der Größe eines Kalbes, kam ihm entgegen. Der Hund hatte große und leuchtende Augen und in seiner Umgebung war es hell, wie von einer Laterne. (Bis hierher könnte man glauben, der Bauer hätte sich den Film „Der Hund von Baskerville“ angesehen. Aber den gab es damals noch nicht.) Während der Bauer vor Schreck fast gelähmt war, lief der Hund unbeirrt seinen Weg weiter, an ihm vorbei, zum Altenteil. Und, obwohl die Tür verschlossen war, wovon der Bauer sich hernach überzeugte, verschwand der Hund im Haus. Wo er sich gerade befand, sei alles hell erleuchtet gewesen.

Sicher hätte es für diese Erscheinung auch eine natürliche Erklärung gegeben. Zu der Zeit aber hatten die Menschen ihre eigenen Ansichten und Erklärungen zu solchen Dingen.

Zum Beispiel diese:
Vor vielen Jahren, als die Post noch nicht das war, was sie heute eigentlich sein sollte, trugen Geldboten, meist zu Fuß (oder zu Pferde), das Geld vom Auftraggeber zum Empfänger. Sicher handelte es sich dabei um größere Summen. Zur Aufbewahrung und zum Transport des Geldes, benutzte man eine sogenannte Geldkatze. Das war eine Felltasche.
Verständlicherweise war der Bote oft tagelang unterwegs und musste sich daher um Kost und Logis sorgen.
So ein Bote also soll auf diesem Hof vor langer Zeit eingekehrt sein. Weil das vermutlich viele Geld, das er bei sich trug, so sehr lockte, wurde er vom Bauern beraubt und erschlagen. Um nicht in Verdacht zu geraten, verscharrte er die Leiche unter einem großen Baum am Hause. Den Hund des Boten aber verjagte er. Als dann viele Jahre später ein Umbau des Hauses erfolgte, stand eben dieser Baum im Wege und musste gefällt werden. Dabei wurde dann das Skelett des ermordeten Boten mitsamt seiner (jetzt allerdings leeren) Geldkatze gefunden.
Raub und Mord waren somit erwiesen. Bestraft werden konnte aber niemand mehr, weil der Täter längst nicht mehr am Leben war.
Der Hund aber suchte, immer zur Todesstunde des Boten, seinen Herrn und erschien deshalb immer um Mitternacht.

Ja, bei solchen Geschichten, vor allem aber, wenn sie auch noch recht spannend und geheimnisvoll erzählt wurden, konnte einem schon mächtig gruseln.