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  2. Erinnerungen an die Kindheit und Jugend auf dem Bauernhof  
  b. Beschreibung des Altenteils  

Das mit Abstand älteste Gebäude auf dem ca. 35 mal 35 m großen Hofplatz war das Altenteil an der Straßenseite. Ich will versuchen, dieses mein Geburtshaus noch ein wenig näher zu beschreiben, weil gerade mit ihm viele Erinnerungen verbunden sind. Mitte der dreißiger Jahre wurde das Gebäude wegen Baufälligkeit abgerissen. Lange Jahre erinnerte noch ein mit Gras bewachsener Lehmhaufen an den einstigen Standort des Hauses. Aber auch der ist längst verschwunden und neue Häuser stehen an der Grenze zum linken und rechten Grundstücksnachbarn.

Das Gebäude war in Lehmfachwerkbauweise errichtet. Die verwendeten Balken waren grob zugehauen aus Eichenholzstämmen. Zwischen den Fachwerksbalken wurden die sogenannten „Klävstoaken“ (sicherlich vom Wort „kleben“ abgeleitet = Klebestangen) eingesetzt, die dann mit einem Lehm-Strohgemisch von innen und außen „verklebt“ und verputzt wurden. Das ergab immerhin eine recht warme Behausung für den Winter und spendete im Sommer eine angenehme Kühle.

Das von der Straße her rechter Hand gelegene Wohnhaus bestand aus zwei Stuben, einer Kammer und einer sehr kleinen Küche. Das dem Hofe zu liegende Zimmer bewohnten meine Urgroßeltern, die andere Stube und die Kammer wir.

Der Zugang zur Wohnung erfolgte durch die Küche vom Hofe aus. Diese war nicht größer als zehn Quadratmeter. Sie hatte nur eine Fensteröffnung von etwa 30 x 30 cm zum Torweg hin und ließ somit kaum Licht herein. Gleich links am Eingang zur Küche befand sich die Bodentreppe und dahinter die Stubentür zum Zimmer der Urgroßeltern. Der Herdraum war durch eine Wand, die zur Hälfte in die Küche hineinragte, (s.a. Zeichnung) abgeteilt. Hier stand unter einem Rauchfang (ähnlich einem offenen Kamin) der Herd. Auf Platt: „de Koakmaschin“. Gleich neben dem Herd war in der Wand das ca. 75 x 75 cm große Ofenloch zur Beheizung des Ziegelofens im Zimmer der Urgroßeltern eingelassen. Dieses Ofenloch war nach Vorschrift mit einer abnehmbaren Blechtür versehen. […]
Geheizt wurde grundsätzlich nur mit Busch. Das ist wenigstens ein Jahr lang getrocknetes und gebündeltes Kiefern- und Tannenreisig. Kohlen wären für so einen Ofen viel zu teuer und außerdem ungeeignet gewesen. Der eigene Wald gab ja auch ausreichend Brennholz her.

Mehr Platz, als für einen kleinen Küchentisch mit eingelassenen Schüsseln, der somit auch als Abwäsche oder Spülbecken diente, einem Miniküchenschrank und einem Stuhl, war nicht. Die Beleuchtung bestand aus einer kleinen Petroleumfunzel, die allerdings kaum mehr Helligkeit erzeugte, als dass man alle Gegenstände gerade erkennen konnte. Der Küchenfußboden war mit roten Ziegelsteinen ausgelegt. Das neben der Tür auf Fußbodenhöhe befindliche „Goatlock“ (Gieß- ­oder Gussloch) diente vor allem dazu, das Wasser abfließen zu lassen, wenn sonnabends der Ziegelfußboden geschrubbt wurde.
Dazu wurde auf den nassen Fußboden ein Farbpulver, das „Küchenrot“, gestreut und mit einem harten Besen oder Schrubber gleichmäßig verteilt. Das ergab dann wieder eine leuchtendrote Farbe.
Im Zimmer der Urgroßeltern wurde der Fußboden jede Woche mit weißem Sand geschrubbt. Nach dieser Prozedur sahen die Dielen wieder aus wie neu. Nach ihrem Tode wurde das nicht mehr praktiziert. Es war wohl nicht mehr modern! Stattdessen wischte man die Dielen mit Sodawasser.

Hinter der Küche gab es noch einen Durchgang zum Wohnzimmer hin, ursprünglich wohl als Flur gedacht, mit einer Tür zur Straße hin, die aber nie genutzt und deshalb mit einer Art Regal verstellt war.

Das Wohnzimmer war ein heller, freundlicher Raum, mit zwei Fenstern und Blick auf die Straße. Der Fensterwand gegenüber stand ein alter, brauner Kachelofen, daneben ein Kleiderschrank, dem Eingang gegenüber eine Liege, die damals vornehmerweise noch „Chaiselongue“ genannt wurde.
Hinter dieser Wand befand sich eine kleine Kammer, etwa sechs Quadratmeter groß, mit zwei Bettgestellen. Diese hatten eine Strohschütte, die später durch Strohsäcke ersetzt wurde. Hierauf wurden dann Unterbett, Laken und Oberbett gelegt. Beheizbar war die Kammer nicht. Sie diente Mutter, mir und meinen beiden Brüdern als Schlafplatz. Vater schlief im Wohnzimmer auf der Liege.

Wie in der Küche, war auch in allen anderen Räumen die Petroleumlampe die einzige Licht-. quelle nach Einbruch der Dunkelheit.
Wann das Altenteil elektrisches Licht bekam, weiß ich nicht mehr.

Hier im Altenteil verlebten meine Brüder und ich recht unbekümmert unsere ersten Lebensjahre.
Ein ganz besonders angenehmer und beliebter Spielplatz, zumindest während der kalten Jahreszeit, war das Zimmer der Urgroßeltern. Besonders angetan hatte es uns der bereits erwähnte Ziegelsteinofen. Abgesehen davon, dass in seiner Röhre hervorragend Bratäpfel gezaubert werden konnten, ließ es sich sowohl am, als auch hinter und gar auf (!) dem Ofen herrlich spielen. Und wenn‘s mal zu turbulent wurde, gab es auch schon mal einen Rüffel.

Die Einrichtung des Zimmers war nur sehr einfach: Zwei Betten und ein Tisch, vier Stühle und ein Korbsessel und für Urgroßvater, der, solange ich ihn kannte, immer bettlägerig war, ein sogenannter Nachtstuhl, auf dem er seine Notdurft verrichten konnte.
An den Wänden hingen einige Bilder, auf denen Jesus oder ein paar Engel dargestellt waren. Oder auch solche, mit nur frommen Sprüchen. In einer Ecke des Zimmers stand ein uralter, kleiner Kleiderschrank - und sonst gab's nichts.

Die Menschen damaliger Zeit lebten sehr bescheiden. Sie hatten nicht annähernd […] die Bedürfnisse, wie wir sie heute haben.
Gäbe es heute in unserer modernen Zeit noch Menschengruppen, die unter den beschriebenen damaligen Bedingungen unter uns lebten, würden wir sagen, dass sie weit unter der Armutsgrenze ihr Leben fristen müssen.

 
Skizze vom Altenteil: