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  0. Vorwort zur Veröffentlichung der Auszüge  
  a. Allgemeines zur Werkgeschichte  

Die Ehe meiner Eltern wurde 1957 geschieden, Mutter nahm uns Kinder mit nach Perleberg, wo wir, von ihr und der Großmutter liebevoll erzogen, aufwuchsen. Der Kontakt zum Vater brach zwar nie ganz ab, bestand jedoch bis zum Tode meiner Mutter fast ausschließlich in Korrespondenzen zu den Feier- und Geburtstagen sowie dem obligatorischen Besuch in den Sommerferien. Erst nach Mutters Tod 1972 wurden die Kontakte häufiger und auch inniger. Der Vater auf Ferienzeit wurde allmählich immer mehr als wirklicher Vater akzeptiert, ohne dass sich daraus jedoch ein normales enges Familienverhältnis entwickelt hätte. Vater hatte ja seine Familie mit vier Kindern (davon 2 eigene) in Berlin, wo logischerweise schon allein durch das tägliche Zusammenleben die Bindungen enger waren. Uns, seine beiden Söhne aus erster Ehe hat er, wie ich glaube, dennoch auf seine Weise geliebt und war stolz auf seine beiden ältesten.
Bei fast jedem Besuch meines Vater kam irgendwann der Moment, wo er mit Vergnügen begann, Geschichten aus seiner Jugend auf dem Dorf zu erzählen. Diese waren meist auch angereichert mit historischen Fakten. Diese Erzählungen waren sehr amüsant und auch durchaus lehrreich. Bei der Feier zu seinem 65. Geburtstag im September 1989 habe ich meinen Vater aufgefordert und ermutigt, sein Wissen über die Familien- und Dorfgeschichte sowie seine Erlebnisse aufzuschreiben und sie auf diese Weise für seine Nachkommen zu erhalten. Da er trotz seines 65. Geburtstages nicht die Absicht hatte in Rente zu gehen, rechnete ich allerdings nicht damit, dass sich Vater tatsächlich mal ans Schreiben machen würde. Als ihm nach der Wende vom Senat Berlin aus Altersgründen gekündigt wurde, brach für ihn eine Welt zusammen. Jetzt täglich untätig zu Hause rumsitzen zu müssen, das war gar nicht sein Ding. Er suchte nach einer sinnvollen Beschäftigung und fand sie im Schreiben und Forschen.
Bereits in seiner Jugendzeit hat sich mein Vater mit der Ahnenforschung befasst. Wohl eher befassen müssen, denn jeder hatte mit einem Ahnenpass seine arische Herkunft nachzuweisen. Seine Nachforschungen gingen damals schon weit über das geforderte Maß hinaus. Irgendwann hat er mir mal diese Dokumente gezeigt. In Vorbereitung auf seinen 65. Geburtstag habe ich mich wieder daran erinnert und mir heimlich über Stiefmutter seine Ergebnisse bei der Erforschung der Ahnen organisiert. Ich habe den Stammbaum in eine ansprechende grafische Form gebracht, in der mein Vater den Stamm bildet, seine Vorfahren die Wurzeln und seine Nachkommen die Früchte. Dieses Werk, ca. in der Größe von DIN A1, stellte, in einem schönen alten Rahmen untergebracht, mein Geburtstagsgeschenk dar. Dieses besondere Geschenk war nach eigenen Angaben maßgeblich daran beteiligt, dass in ihm der Ehrgeiz entflammte, die bereits erforschten Ahnenreihen weiter zu komplettieren. So wurden die Ahnenforschung und das Schreiben zu seinem Hauptlebensinhalt. Beides hat ihn erfüllt und glücklich gemacht. Ihm war sogar ein Lebensende ohne jegliches Leiden vergönnt. Am 29. Januar 2004 ist er, auf seinem Bürostuhl am Computer sitzend, bei der Arbeit an einem Dokument friedlich für immer eingeschlafen.

Leider habe ich erst 9 Jahre nach dem Tode meines Vaters die Muße gefunden, mich mit der Sichtung und der Aufarbeitung seines Schriftnachlasses zu befassen. Schon zu seinen Lebzeiten habe ich seine Ausdauer, seinen Fleiß und die Qualität seiner Arbeitsergebnisse bewundert. Aber erst jetzt, nachdem ich begonnen habe, mich intensiv mit dem Nachlass zu befassen, kann ich den vollen Umfang und die Qualität seiner Leistungen voll ermessen. Immer wieder tauchen Fragen und Probleme auf, aber nun ist es leider zu spät, ich kann sie nicht mehr gemeinsam mit ihm klären.
Ich bedaure es außerordentlich, dass ich aufgrund des selbstverschuldeten unzureichenden Einblicks in die Arbeistergebnisse meines Vaters, ihm gegenüber seine Leistungen nicht angemessen noch zu seinen Lebzeiten gelobt und gewürdigt habe. Ich kann nur hoffen, dass er deshalb nicht all zu sehr betrübt war. Ich wäre es an seiner Stelle mit Sicherheit gewesen.
Ich hoffe, dass ich mit der vorliegenden Aufbereitung seines Nachlasses ihm postum noch die Würdigung zukommen lasse, die ihm wirklich zusteht.

Wittstock im Januar 2013
Dietmar Hann